REVIEW: FMAG – POLITIK, SEX & LAMETTA

Der Arbeitstitel „Politik, Sex & Lametta“ war für mich kaufentscheidend. Das FMAG hält was es verspricht und bespricht seine Themen in ganz speziellem Ton, auf hohem Niveau, selbstbewusst und laut. Nur etwas fehlt mir…

„Früher war mehr Lametta“ beklagt sich Opa Hoppenstedt in der Weihnachtsgeschichte von Loriot. Er soll Recht behalten. Ich kenne kaum jemanden, der das funkelnde „Engelshaar“ aus Plastik benutzt, um seinen Weihnachtsbaum zu schmücken. Verständlich, es ist verdammt kitschig. Aber Einhörner, Delfine, Schmetterlinge und Gel-Nägel sind auch kitschig und wir lieben sie trotzdem. Die dekorativen Dinge des Lebens, die Kirsche auf der Sahnehaube, Konfetti, Glitzer, Schokostreusel – das Unnötige, was wir trotzdem ganz dringend brauchen. Den ganzen Weiberkram!

Genau diesen Weiberkram schreibt sich das neue FMAG auf die Fahne und hat kürzlich ein pinkfarbenes Hochglanz-Heft für junge Frauen in die deutsche Magazinlandschaft gepflanzt. Doch so kitschig wie das klingt ist es nicht. Im Gegenteil.

Die glossy-glamour Oberfläche ist nur eine Tarnung. Dahinter steckt nämlich verdächtig viel (metaphorisch) recyceltes Papier und Rauhfasertapete. Assoziation: Nicht die Art von normaler Rauhfasertapete, sondern eine Tapete, die eigentlich als altmodisch, großmütterlich und kotzefarbend verstanden wird, aber genau deswegen in bestimmten Kreisen wieder angesagt ist. Verwirrend?

Es gibt Menschen da draußen, meistens Frauen und ganz viele davon leben in Berlin, deren ästhetisches Verständnis absichtlich unästhetisch ist. Auch verwirrend? Ich meine diese Mädels die figurferne Sachen anziehen, um bloß nicht anzüglich zu wirken, sich niemals schminken, ungern rasieren und schlimmsten Falls auch noch hemmungslos ungesundes Zeug fressen, weil fett werden ja total selbstbewusst ist und man sich für seine angehende Diabetes nicht zu schämen braucht?! Ich weiß, ich bin fies. (Spätestens jetzt wisst ihr es auch.)

Ich versuche ernsthaft emphatisch zu sein und mich hinein zu versetzen, wie es ist Männer zu verachten, ihnen trotzdem nachzueifern und mit Busch und ohne Concealer durchs Leben zu gehen. Es funktioniert nicht. Ich komm da nicht mit. Und ich bin der Meinung FRAU kann noch so gebildet sein und engagiert für Gleichberechtigung kämpfen…

Wer die Weiblichkeit verwahrlosen lässt, hat Frauenrechte nicht verstanden. Sorry.

Was ich damit sagen will, das Heft legt den Fokus sehr stark auf „echte“ Menschen und verzichtet komplett auf die üblich erstrebenswerten 90/60/90 und zeigt keine Models oder andere Träume. Klar, Perfektion, Barbie und Pushup-BH’s werden irgendwann langweilig, das sehe ich ein. Aber so ein bisschen was für’s Auge tut doch nicht weh, oder…?

Doch. Das FMAG setzt auf spannende Persönlichkeiten, mit Geschichten, einem nennenswerten Bildungs- oder Migrations-Hintergrund und richtet sich an junge Frauen, die vielleicht ein bisschen auf Vintage-Rauhfasertapete und nicht so sehr auf Photoshop stehen. Hier kommen abgefahrene Erfinderinnen zu Wort, genau so wie Dragqueens, Dehnungsstreifen und die Periode der Frau.

Der Redaktionsplan bietet von Polygamie, Vaterfiguren, Generationskonflikten über Badeschaum bis hin zu Empanadas-Rezepten und einer grandiosen Stickersammlung eine ganze Menge. Nur kein Lametta. Zumindest nicht genug von dem, was ich unter Lametta verstehe. Wo sind sie? Die funkelnden Beyoncé’s, Emma Watson’s und Emily Ratajkowski’s dieser Welt? Wenn jemand in ein pink-glänzendes Feministinnen-Magazin gehört, dann ganz bestimmt diese Damen. Sie bewegen nämlich etwas: Und zwar nicht nur ihren heißen Hintern, sondern die Masse.

Feminismus sollte Mainstream sein, keine Nische – oder hab‘ ich da was falsch verstanden?

Diese ganzen Klischees von femnistischen Mannsweibern nerven natürlich genau so doll, wie die über dumme Blondinen oder generell schlecht einparkende Frauen. Darauf will ich auch ganz bestimmt nicht hinaus. Ich hätte gedacht, dass die Diversität von Weiblichkeit, Feminismus und ihren Wegbegleitern im FMAG deutlich wird. Das pinke Cover hat mich jedoch in die Irre geführt!

Ihr müsst da aber unbedingt selber reinlesen und euch ein eigenes Bild vom Heft machen! Ich feier‘ die Tonalität, eine schlagfertig bis launisch-patzige Wortwahl, taffe Grundhaltung mit Humor und ganz viel Selbstbewusstsein. Wie gesagt: #FRAUENPOWER in allen Ehren: Aber (ich mag meine Muschi) gerne RASIERT! Es gibt genug Weiber, die Eier in der Hose haben, trotzdem Glitzer lieben und frittierten Fraß nur manchmal essen, nicht jeden Fryday! (Man Leute, das ist echt ungesund!)

Achso, wenn jemand meinen Text nicht mag, dann sag ich dazu nur: Heul nicht, mach doch besser!

Ich fühle mich übrigens deshalb befugt zum Thema Magazinlandschaft und Printbewusstsein meine Meinung zu äußern, weil ich schon zwei mir nahestehende Hefte habe sterben sehen. (Sollte mir das zu denken geben?) An dieser Stelle: Rest in Peace, TEASER Magazine und INSHOES – ich hatte eine schöne Zeit mit euch und das Schreiben mit Druck fehlt mir sehr.



5 thoughts on “REVIEW: FMAG – POLITIK, SEX & LAMETTA”

  • Echte Menschen? Wo denn. Die Fotos zeigen mir eigentlich das, was die anderen alle auch zeigen: Knochendürre Hipsteria! Und ich muss sagen, das wird durch deinen Schreibstil unterstützt. Ich mag den Text, aber bin nicht d’accord mit dem Rest! Sorry. Weiberkram, der rasiert sein muss- Hallo freie Gesellschaft!

    • Na, da musst du das Heft vielleicht nochmal genauer blättern… knochendürr ist da nix, aber selbst wenn? Seit wann sind denn dicke Menschen echter als dünne? Das sollte übrigens nicht das Thema dieses Textes sein. Mir geht es hier eher um die allgemein „bodenständige“ Ästhetik. Es ist Geschmacksache, oder? Ich kaufe mir halt lieber ein Magazin in dem etwas mehr Glamour und Perfektion gezeigt wird. Für die unretuschierte Realität kann ich mich auch in ein Café setzen und „echte“ Menschen angucken.

  • Ich musste so lachen! Sehr unterhaltsam geschrieben.. Und ich stimme dir zu. Ich hatte vom F MAG ein cooles Frauenpower-Magazin erwartet, aber muss man Feminismus immer gleich mit Dehnungsstreifen und Periode gleichsetzen? Es gibt doch viel interessantere Themen, die uns Frauen ausmachen. Und wir können intelligent, einfühlsam UND attraktiv sein. Ohne Behaarung. Jedenfalls kann ich das über meinen Freundes- und Familienkreis sagen. Pro Lametta!

  • Dein Text hat mich echt zum Schmunzeln gebracht. Ich hab das Magazin auch schon mal ins Auge gefasst, es aber selbst noch nicht gelesen. Ich finde, wie Weiblichkeit definiert wird, ist jedem selbst überlassen und wie wichtig man diese nimmt, auch. Für mich muss eine Frau nicht geschminkt oder perfekt rasiert sein, um ihr Frau Sein zu zelebrieren. Wobei ich persönlich mich auch eher zur Fraktion „ungeschminkt bin ich nur Sonntags und beim Sport und Ernährung und meine Pflege sind mir wichtig“ zähle. Aufregen könnte ich mich auch, wenn Frauen vorgeworfen wird, sie seien keine Feministinnen, nur weil sie sich gern weiblich kleiden oder sich und ihren Körper in einem Magazin zeigen. Feminismus bedeutet Gleichberechtigung. Und zwar für alle! Warum machen Frauen sich noch gegenseitig fertig, anstatt zusammenzuhalten?
    Ich mag deinen zynischen Schreibstil und habe für mich selbst entschieden, dass ich vielleicht mal in das Heft rein schnuppere, es aber definitiv nicht zu meinen Favoriten gehören wird. Dafür bin ich zu sehr Mädchen mit pinken Nägeln und trotzdem einer starken Attitude und Eiern in der Hose. Heute geht doch beides!

    • Hallo liebe Namensvetterin, danke für dein ausführliches Statement. Ich bin in meinen Formulierungen gerne sehr extrem, damit die Richtung meiner Meinung deutlich wird. Nichts ist schlimmer als das schwammige und politisch korrekte Gequatsche ohne Aussage. Nur um es allen Recht zu machen brauche ich schließlich keinen Text schreiben. Du hast genau erkannt worum es mir geht… und dazu stehe ich, selbst wenn ich manchmal sogar eine ganze Woche keine Lust auf Schminke habe! 😀 Ich freue mich, wenn ich deine Neugier wecken konnte und du dir das Heft selber mal anschaust. LG

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